Radexpedition 2004 "Trans Himalaya"

Expeditionsbericht

 

Heute ist der 18.05.2004, der Tag an dem wir auf unsere schwer beladenen Räder steigen und die Stadt des ewigen Frühlings – Kunming - verlassen. Gerade jetzt macht die Stadt ihrem Namen alle Ehre, denn der Himmel taucht sich in dunkles Grau und öffnet seine Pforten. Also ein interessanter Anfang, im strömenden Regen loszufahren. Es dauert mindestens 1 ganze Stunde, bis wir den Großstadtdschungel von Kunming hinter uns lassen und auf einer Schnellstrasse im Abgassmog verschwinden. Die ersten zweieinhalb Tage geht es im Dauerregen über total aufgeweichte Pisten und Strassen, welche sich zunehmend in ein kühles Schlammbad verwandeln. Ein kurzer Schreck fährt uns durch die Glieder als wir eine Entdeckung machen. Durch den anhaltenden Regen, dem ganzen Schlamm am Rad, welcher wie scharfes Sandpapier wirkt und den langen Abfahrten der ersten 2.000er Pässe haben sich die Bremsbacken unserer Spezialbremsen nahezu in Luft aufgelöst. Wir handeln schnell und Gil fährt mehrere Stunden mit dem Bus zurück nach Kunming und organisiert im einzigen Radgeschäft der ganzen Großstadt fünf geeignete Bremsbacken. Diese und unsere wenigen mitgebrachten werden uns nun hoffentlich sicher über den Dachfirst der Welt bringen. Am dritten Tag hört es endlich auf, vom Himmel zu schütten und die ersten Sonnenstrahlen trocknen unsere total durchweichte Radkleidung und unsere Körper. Schnell werden die Tagesetappen immer länger und schon nach kurzer Zeit sitzen wir bis zu 6 Stunden täglich im Sattel, bei bis zu 100 Kilometern.

Auf dem Weg in Richtung DALI, unserem nächstem Ziel, stoßen wir an die ersten Randausläufer des östlichen Himalayas und das Gelände wird immer bergiger. Die Landschaft um uns herum ändert sich jeden Tag. Zum einen begleiten uns malerische Reisterrassen bis auf über 2.000 m Höhe, zum anderen sind die Berge steppenartig und uns brennt die Hitze mit über 41 Grad Celsius auf den Buckel.

Einmal sehen wir sogar einen Unfall an der Strasse. Ein Pkw stürzt über einen Hang hinunter ins schlammige Reisfeld. Kurzerhand halten wir an. Schnell hat sich das halbe Dorf der Umgebung dort versammelt. Es wird ein Seil herbeigeschafft und dann packen auch wir mit an. Im Takt ziehen wir das Auto gemeinsam mit 25 Chinesen wieder aus dem Feld heraus, zum großen Glück der Besitzer.

Nach 6 Tagen erreichen wir DALI, die Hochburg der BAI-Kultur, wo die Menschen farbenprächtige Trachten tragen und über 1.500 Jahre alte Pagoden und Tempel die kühlen Hochebenen schmücken. Am Rande des großen „ER HAI SEES“ gelegen und von über 4.000 m hohen Bergen abgeriegelt, lädt uns dieser kühle und erfrischende Ort zu vielen Attraktionen ein. Nicht nur der Wolkenweg, auf knapp 3.000 m Höhe, mit haarsträubenden Abschnitten und steilen Klippen, sondern auch kristallklare Wasserfälle, welche sich in die Tiefe stürzen, überreden uns zu einem eiskalten Bad. Die bemerkenswert gut erhalten, über 1.000 Jahre alten taoistischen Tempelanlagen lassen vergangene Dynastien wieder aufleben.

Doch eine magische Kraft zieht uns nach Norden, zu unserem nächsten Ziel - LIJIANG im Jadedrachen-Schneegebirge – ca. 200 km weiter. Rund 50 km begleitet uns der „ER SEE“ bevor wir in noch höhere Berge abbiegen und die Passstrassen 2.500 m hoch werden. Hochebenen liegen zwischen steilen, mächtigen Bergen. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was noch vor uns liegt. Aus den Wolken schält sich das knapp 6.000 m hohe Eisgebirge des Jadedrachengebirges. Wir haben LIJANG erreicht, die Kulturgruppe der NAXI.

Sofort werden wir in den Sog der Vergangenheit gezogen, denn hier tauchen wir in die Jahrhunderte alten Gassen einer Stadt ein, welche zum Weltkulturerbe gehört. Wir schieben unsere schwer beladenen Räder und Anhänger über die Jahrhunderte glatt polierten Natursteingassen, vorbei an windschiefen, herrlich verzierten Holzhäusern, über uralte Steinbrücken und vorbei an kleinen Bächen, welche die Altstadt zerschneiden. Auf dem Weg zu unserer Unterkunft sind nicht nur wir erstaunt, sondern viele Blicke richten sich auch auf uns, mit unseren kleinen Radlastzügen.

Einige Tage bleiben wir hier um zu verweilen, auch aus einem besonderen Grund, denn am 02. Juni soll Gil Vater werden.

Vor unserer Weiterfahrt am 03. Juni konnte er nochmals den Kontakt zur Heimat herstellen und mit seiner Frau im Lichtensteiner Krankenhaus telefonieren. 3 frische Fotos seiner kleinen Familie, die ihn über Internet noch rechtzeitig erreicht haben, werden uns nun auf dem Weg ins verloren gegangene SHANGRI-LA begleiten, was tibetisch ist und so viel heißt, wie „Himmel auf Erden“.

Gil & Peer

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